Vom Adelssitz zum Alters- und Pflegheim

Eine kurze Geschichte der Spitalliegenschaft in der Altstadt von Bischofszell

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Ein Haus – 3 Häuser

Für das Verständnis der folgenden Baugeschichte ist wichtig, dass es sich beim heutigen Bürgerhof ursprünglich um mindestens drei Liegenschaften handelte, die im Laufe der Jahrhunderte zusammengewachsen sind. Zu Beginn gehörte zum Spital nur der schmale Westtrakt (Mitteltrakt, heute Küche und Cafeteria) und kurz nach 1500 um den mächtigen Bau mit Treppengiebel (Osttrakt, heute die Eingangshalle) ergänzt.

Von der Stadtmauer zum Adelshof

Der Bürgerhof steht Mieter ganzen Nordseite auf der vor 1301 erbauten Stadtmauer, die im Keller und Erdgeschoss noch vorhanden ist. Man hat vermutet, dass im Bereich des Bürgerarchivs (heute im Ostteil des Bürgerhofes) ein Turm gestanden hat. Unsere Untersuchungen konnten dies weder beweisen noch widerlegen – sicher ist das das Bürgerarchiv aus dem Jahre 1632 auf älteren Fundamenten ruht. Einige Jahrzehnte nach dem Bau der Stadtmauer wurde im Westen der heutigen Liegenschaft ein dreigeschössiger Bau mit einem trapezförmigen Grundriss von 15 x 14.4m errichtet. Während der Keller und das Erdgeschoss mit rundbogigen Toren mit Sandstein und Tuffgewänden erschossen worden, brach man Lichtschlitze und Fenster in die Stadtmauer. Der Innenausbau wurde in Holz ausgeführt: Eine heute im Keller und im Erdgeschoss zum großen Teil noch original erhaltene Konstruktion aus  Eichenolz wurde um 1311 eingebaut. Aus dieser Zeit konnten im ersten Obergeschoss auch mit Holz ausgekleidete Wandschränke dokumentiert werden (heute wieder abgedeckt). Die originale Bausubstanz ist auch an der Südostecke des Gebäudes sichtbar (links des Türdurchbruchs von der Küche in den Saal), die ihm sie aus sorgfältig behauenen Sandsteinquart um ausgestaltet ist. Der unregelmäßige Grundriss des Gebäudes rührt davon her, dass die Stadtmauer in der Nordwestecke leicht nach Süden abwinkelt und dass die Fassade die Orientierung des Schenkenhofes im Westen aufnahm. Die frühere Trennmauer zu diesem Gebäude ist im großen Saal sichtbar. Bei unserem „Westbau“ handelte es sich um einen „Hof“-eine Adelsresidenz im Innern der Stadt.

 Eine neue Liegenschaft für das Spital

Mittealalerliche Spitäler sind Vorläufer unserer medizinischen und sozialen Einrichtungen. Sie beruhten meist auf einer Stiftung, aus deren Erträgen soziale Aufgaben erfüllt werden konnten. Die Beherbergung von Kranken oder Gebrechlichen, Witwen und Waisen stand dabei im Vordergrund. Dank einer Urkunde vom 19. Juli 1379 wissen wir ab, dass das 1369 von einem Heinrich Talakrer geschenkte Spitalgebäude zu klein war und deshalb von der Heilig-Geist-Stiftung in eine neue Liegenschaft als Spital angekauft worden ist. Die Urkunde teilt uns den Standort der neuen Liegenschaft mit, nämlich zwischen dem Haus einer Frau von Kradolf und dem Haus der Herren von Heidelberg. Es steht fest, dass es sich bei diesem Gebäude um den Westteil unserer heutigen Liegenschaft handelt. Das größte Steingebäude durfte den Wünschen nach Platzes und freier Raumaufteilung entgegengekommen sein. Die östlich anschließende Parzelle (heute Küche und Cafeteria) war wahrscheinlich der Standort des Hauses der namentlich erwähnten Frau und ist später angekauft worden. Die westlich anschließende Liegenschaft der Heidelberger, der Schenkenhof, wurde 1850 abgebrochen und ein kleiner Teil der Parzelle für einen Anbau des Bürgerheims genutzt (heute Wäscherei).

Umbauten und Einbauten

Im frühen 15. Jahrhundert, vieleicht 1419, muss ein Stadtbrand Teile der Stadt verwüstet haben. Aus dieser Zeit stammen Holzteile im Dachbereich. Weiter zeigte die östliche Aussenmauer des Westteils eine deutliche Brandrötung. Besser als ein Stadtbrand lassen sich aber Umgestaltungen im Gebäudeinneren belegen. Um 1450 wird der grosse Saal durch einen Zwischenboden und Zwischenwände unterteilt. Die Schartenfenster in der Stadtmauer werden nach oben erweitert. So konnten mehr und kleinere Raumeinheiten für das Spital gewonnen werden. Wir vermuten, dass ab der Mitte des 15. Jahrhunderts im Anschluss an den Westtrakt auch ein Erschliessungstrakt in Fachbauweise stand.

 

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Eine kühen Investition in die Zukunft

Um 1500 dürfte der Wunsch nach einer Verbesserung der Situation aufgekommen sein. Es entstand ein Neubau, der von aussen an der Dachdeckung zu erkennen ist und an der Ostwand den charakteristischen Treppengiebel aufweist. In den Bau wurde ein Wasserlauf integriert, der das Gebäude in einem gewölbten Kanal von der Marktgasse her nach Norden durchfloss. Das neue Gebäude wies im Erdgeschoss eine offene Halle auf, davon zeugen noch die mächtigen beiden Sansteinpfeiler mit eingeritzten Jahrzahlen. Aus dem überlieferten Baujahr 1507 sind neben Teilen der Ost- Westmauer auch die Böden bzw. Decken aus massiven Tannenstämmen erhalten. Das Gebäude wurde wahrscheinlich auf einem nicht überbauten Gelände errichtet, in dessen Nordostecke das heutige Bürgerarchiv bzw. ein Vorgängerbau stand. Auch dieser neue Bau des Spitals erfuhr zahlreiche Veränderungen, so wurde das Bürgerarchiv neu errichtet (1632) und auch der heute noch hervorragend erhaltene Dachstuhl stammt aus dem 17. Jahrhundert (1653).

 

Vom Stadtbrand in die Neuzeit

Der Stadtbrand von 1743 hat das Spital verschont, aber in der Umgebung zu tiefgreifenden Umgestaltungen geführt. Unter dem Eindruck der neu errichteten Bauten wuchsen die drei vorher deutlich getrennten Baukörper des Spitals (Westtrakt von 1311, Zwischenbereich sowie Osttrakt von 1507) allmählich zusammen. Der vielleicht ursprünglich mit einem Walm gegen Westen gedeckte Zwischentrakt bekam 1772/1774 den heutigen Dachstuhl. Der Dachstuhl des Westtraktes wurde 1812 neu aufgerichtet.

Grössere Bauarbeiten im Mittel- und Westtrakt wurden von Zimmermeister Wehrlin 1835/1836 ausgeführt. Nach dem Abbruch des Schenkenhofes im Jahr 1850 kam es dann zu einer Erweiterung nach Westen (heute Wäscherei). 1865 erfolgte der bis anhin umfassendste Umbau der Liegenschaft. Dabei erhielten alle Fassaden gegen die Gasse aber auch in den oberen Stockwerken gegen den Graben hin einheitliche Fenster. Die Fassaden des Ost- und Mitteltraktes wurden dafür weitgehend abgebrochen und ersetzt. Im Innern der Gebäude wurden zahlreiche Wände durchbrochen und es entstanden eine Zimmereinteilung mit Innenausstattung in gestemmtem, grün gestrichenem Tannentäfer sowie die Bürgerstube im ersten Obergeschoss des Miteltraktes. Weitere spätere Umbauten betrafen in erster Linie betriebliche Einrichtungen und das Erdgeschoss des Ostteils.

 

Vom Spital zum Bürgerhof

Heute erstrahlt das 700 Jährige Gebäude in neuem Glanz und ermöglicht wieder einen zeitgemässen Betrieb als Altersheim. Seit 1993 wurden Ideen zusammengetragen um das Gebäude an dei aktuellen Bedürfnisse anzupassen.

Hansjörg Brem, Amt für Archäologie, Frauenfeld